Kopf an Kopf in der Leopoldstadt
Während das Ergebnis in Wien am Wahlabend schon bald klar ist, bleibt der zweite Bezirk besonders spannend: SPÖ und Grüne kämpfen hier um den Bezirksvorsteher. Eindrücke vom Wahlabend.
Text: Bernhard Odehnal, Naz Küçüktekin

Bezirksamt Leopoldstadt am Wahlsonntag, 17 Uhr: Auf der Straße vor dem Amtsgebäude herrscht Verkehrschaos. Gut 10 Taxis stehen auf dem Gehsteig und quer über die Straße. Andere Autos kommen nicht durch. Es wird viel gehupt. Ein Taxler-Protest? Aber nein, winkt ein Fahrer ab. „Wir wurden nur alle hierher bestellt“. Des Rätsels Lösung: Mit den Taxis fahren die Beamten der Wahlkommission in die Sprengel und holen dort die Wahlkarten ab. 10 Minuten später sind alle Autos verschwunden.
Im Amtshaus aber herrscht immer noch Betrieb. Im zweiten Stock sitzt Bezirksvorsteher Alexander Nikolai von der SPÖ mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in seinem Büro vor einem TV-Bildschirm. Die Stimmung ist irgendwie angespannt. Der Journalist ist hier klar unerwünscht. „Wir bleiben heute im Team“, weist Nikolai höflich aber bestimmt die Tür.
Der Gemeindebau blieb zuhause
Grund der schlechten Stimmung sind wohl die ersten Zahlen, die kurz nach 17 Uhr vom ORF bekannt gegeben werden. Demnach fällt die SPÖ in Wien auf 37 Prozent zurück. Und eine Fortsetzung der Koalition mit den Neos hätte keine Mehrheit mehr im Gemeinderat. Freilich: Die Zahlen sind eine “Trendprognose”, basierend auf Befragungen vor dem Wahltag. Noch nicht einmal eine Hochrechnung.
Ebenfalls angespannt, aber deutlich freundlicher, ist die Stimmung in einer SPÖ-Sektion. Hier gibt es auch ein Buffet mit kalten Falafel und warmen Gulasch. Was die Stimmung drückt, ist die niedrige Wahlbeteiligung. Offenbar sind dieses Mal viele Wähler aus dem Gemeindebau zuhause geblieben.
Jubel bei den Neos im Prater
Wurstelprater, 18.45 Uhr. Die Neos haben hier eine Eventhalle gemietet, die wie ein Zirkuszelt aussieht. Hier findet die Wahlparty für die gesamte Wiener Partei statt. Und als der ORF die erste Hochrechnung bringt, explodiert der Saal vor Applaus und Jubelrufe. Ein hochgerechnetes Plus von über 2 Prozent bei den Neos und ein deutlich besseres Ergebnis bei der SPÖ macht die Fortsetzung der Koalition möglich und sehr wahrscheinlich. Vorne bei der Bühne steht der Leopoldstädter Spitzenkandidat Christian Moritz und strahlt. Die gute Arbeit mache sich bezahlt, sagt Moritz. Und hofft auch auf Zuwachs im Bezirk. Doch bis zur Auszählung der Bezirksergebnisse wird es noch bis spät in die Nacht dauern.

Nicht weit vom Prater, mitten im Stuwerviertel liegt das Lokal der Leopoldstädter Grünen. Auch hier gibt es ein Buffet, vegetarisch natürlich, mit viel Linsen und Reis. Die Stimmung schwankt zwischen Euphorie, dass das Ergebnis der letzten Wahlen gehalten werden konnte und Enttäuschung, dass durch den Zugewinn der Neos eine rot-grüne Koalition auf Wiener Ebene sehr unwahrscheinlich geworden ist.
Arschknapp in der Leopoldstadt
Doch in der Leopoldstadt ist die Spannung an diesem Abend noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil: Das gute Abschneiden auf Gemeindeebene lässt Bezirksparteichef Bernhard Seitz hoffen, dass in der Leopoldstadt Grün mehr Stimmen als Rot bekommt. Und das würde Seitz zum Bezirksvorsteher machen.
Ab etwa 20 Uhr trudeln die ersten Ergebnisse aus den Wahlsprengeln ein. Manche mit einem dicken Plus, andere mit einem leichten Minus – und das in grünen Hochburgen. Seitz steht vor dem Parteilokal unter einem Baugerüst in flackerndem Neonlicht. „Es wird arschknapp“, sagt er. Nach 22 Uhr kommt die erste Hochrechnung. Die SPÖ liegt mit den Grünen Kopf an Kopf. Das Endergebnis wird man erst am Montag wissen, nach Auszählung aller Wahlkarten. Doch Seitz ist schon jetzt zufrieden: Die Grünen hätten inhaltlich den Ton vorgegeben, sagt er.
Kaum was los bei der SPÖ Brigittenau
Wer in der Brigittenau hingegen Bezirksvorsteherin wird, ist hingegen so klar wie dass Michael Ludwig Wiens Bürgermeister bleibt. Seit 1945 stellt die SPÖ als stärkste Partei die Bezirksvorstehung im 20. Bezirk. Auf Überraschungen ist man daher nicht eingestellt. Vor der Parteizentrale in der Rafaelgasse haben sich Parteimitglieder zum gemeinsamen Ergebnisse verfolgen versammelt. Rein darf man als Journalistin nicht. Groß etwas los ist ohnehin nicht. “Es ist nur ein paar Leute. Und bald gehen wir eh nach Hause”, heißt es von einem Genossen. Ein paar Meter verlassen die letzten Wahlhelfer das Amtshaus Brigittenau: “So, endlich geschafft”, klatschen sich zwei gegenseitig mit erleichterten Mienen und leeren Händen.

Hoffnungen macht sich auch das Wahlbündnis KPÖ und Links. Nicht auf den Einzug in den Gemeinderat, auch wenn das Ergebnis dieses Mal nur knapp unter den 5 Prozent liegen wird. Aber im 2. Bezirk könnten es mehr als die bisherigen zwei Mandate werden. „Drei, vielleicht sogar vier“, glaubt der Links-Kandidat Stefan Ohrhallinger. Links und KPÖ beginnen ihre Wahlparty jenseits des Donaukanals, auf dem Badeschiff. Nach den ersten Hochrechnungen wechselte man aber in die Leopoldstadt, ins Flucc auf dem Praterstern.
Ohrhallinger kandidiert nicht im 2., sondern im 20. Bezirk. An 3. Stelle auf der Wahlliste. Auch für ihn werden die Bezirkswahlen eine Zitterpartie, aber “das dritte Mandat sollte sich ausgehen”, glaubt er. In der Leopoldstadt könnten Links und KPÖ ihre Mandate sogar verdoppeln.
Update am 28. April, 10 Uhr: Laut dem vorläufigen Endergebnis wird die SPÖ in der Leopoldstadt den Bezirksvorsteher halten können. Auch die Auszählung der Wahlkarten dürfte daran nichts mehr ändern.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.
Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.