Grüne hoffen auf den Bezirksvorsteher in der Leopoldstadt
Spitzenkandidat Bernhard Seitz will die Öffnung des Mistplatzes an die Dresdner Straße und eine verkehrsberuhigte Taborstraße.
Text und Foto: Bernhard Odehnal

Machen die Grünen nur Politik für Radfahrerinnen und Radfahrer? Bernhard Seitz kennt den Vorwurf und findet ihn naturgemäß unfair. Seitz ist der grüne Spitzenkandidat in der Leopoldstadt und zählt im Interview mit Zwischenbrücken und dem Podcast „Nord.Post“ Projekte im 2. Bezirk auf, welche die Handschrift der Grünen tragen, aber nichts mit Radfahren zu tun haben würden.
Da sei zum Beispiel die Entsiegelung der Trunnerstraße und der Bau des Else-Feldmann-Parks. Oder die Einführung von Tempo 30 in vielen Wohngebieten. Oder auch die Freie Mitte im Nordbahnviertel.
Seitz zählt Projekte auf, die in der kurzen Periode umgesetzt wurden, als die Grünen die Bezirksvorsteherin im 2. Bezirk stellten. 2016 mussten die Bezirksvertretungswahlen nach einer Beschwerde der FPÖ wiederholt werden. Bei der bis dahin regierenden SPÖ nahm man das nicht so ernst. Viele rote Wählerinnen und Wähler blieben zuhause. Und so zog mit Uschi Lichtenegger völlig unerwartet eine Grüne ins Büro der Bezirksvorstehung ein.
NICHTS MEHR VERPASSEN

Bei den nächsten Wahlen 2020 konnte die SPÖ den Bezirk wieder für sich gewinnen. Seither ist Seitz Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Er macht das hauptberuflich, denn auch in der Bezirkspolitik müssen es Widerspruch und gegensätzliche Meinungen geben, sagt Seitz: Eine aktive Opposition sei ein Kernelement einer funktionierenden Demokratie und „ich bin halt der Kopf der Bande“.
Streit um BürgerInnenversammlung
In Opposition zur regierenden SPÖ ist Seitz derzeit vor allem beim Thema des fehlenden Mistplatzes. Die Grünen wollen, dass der von der zuständigen Magistratsabteilung 48 während der Corona-Pandemie geschlossene Mistplatz an der Dresdner Straße wieder geöffnet wird. Die MA 48 hingegen möchte einen neuen Mistplatz in der Freien Mitte des Nordbahnviertels errichten (Zwischenbrücken hat darüber berichtet). Seitz fordert nun eine BürgerInnenversammlung zu dem Thema. Das lehnt jedoch Bezirksvorsteher Alexander Nikolaj (SPÖ) mit der Begründung ab, dass der Bezirk dafür gar nicht zuständig sei.
Der grüne Kandidat Seitz hält das für einen „Bruch der Stadtverfassung“. Dort sei die Mitwirkung der Bezirke auch bei Fragen festgehalten, die über deren Kompetenz hinausgehen. Ein Rechtsmittel gegen den Entscheid gibt es freilich nicht. Das sei ein generelles Problem im Wiener Gemeinde- und Landesrecht, sagt Seitz, „dass die Bezirksvorsteher sehr weitgehende Rechte haben, ohne dass man irgendwas dagegen machen kann“. Er will den Fall nun vor die Volksanwaltschaft bringen. (Die Stellungnahme von Bezirksvorsteher Alexander Nikolaj folgt hier demnächst).
Aus dem Mühlviertel ins Nordbahnviertel
Trotz solcher Konflikte bezeichnet Seitz die Stimmung im Bezirksparlament als generell gut. Der Eindruck, dass da nur gestritten werde, stimme nicht: Die meisten Entscheidungen würden im Konsens getroffen. Zum Beispiel, wenn es um die Sanierung von Schulgebäuden geht. „Das Interesse des Bezirks steht bei uns und bei den meisten anderen Fraktionen ganz oben“, sagt Seitz: „Unterschiedliche Meinungen sollte man nicht als Streiterei missverstehen. Das macht die Demokratie aus.“
Seitz stammt aus Oberösterreich, aus dem nördlichen Mühlviertel. Er studierte in Wien Politikwissenschaft und bekam danach einen Job beim Rechnungshof. 2013 zog er mit seiner Familie ins damals ganz neue Nordbahnviertel. Bald darauf “bin ich irgendwie reingestolpert bei den Grünen“, erinnert sich Seitz: “Zuerst wollte ich nur ein bisschen mithelfen, hier am Stand stehen, dort auf eine Demo gehen. Und plötzlich war ich in dieser hochpolitischen Diskussion, wie der Bezirk gestaltet wird.“
Begegnungszone Taborstraße?
Ein Hauptthema in diesem Wahlkampf ist für Seitz die Umgestaltung der Taborstraße. Die Leopoldstädter Grünen zeigen auf ihrer Homepage Entwürfe für einen Boulevard ähnlich der Praterstraße, aber ohne Durchzugsverkehr. Nahe des Donaukanals würden sie eine Begegnungszone machen.
Seit dem Rückzug von Uschi Lichtenegger steht Seitz an der Spitze der Leopoldstädter Grünen. In der Partei rechnet man sich Chancen auf den Bezirksvorsteher aus. „Der Bezirk war eine rote Erbpacht“, sagt Bernhard Seitz, „aber über die Jahre ist das politische System hier aufgebrochen. Wir haben in großen Teilen des Bezirks eine sehr lebendige politische Diskussion. Das macht mich zuversichtlich.“
Das Interview mit Bernhard Seitz ist ab sofort bei Nord.Post zu hören.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.