Bäume, Banden, Baustellen: Drängende Probleme in Zwischenbrücken
In den Bezirksvertretungen der Leopoldstadt und der Brigittenau behält die SPÖ die Mehrheit. Welche Herausforderungen kommen auf die Lokalpolitik in den nächsten Jahren zu? Und wie geht sie damit um?
Analyse: Bernhard Odehnal, Naz Küçüktekin

Zwischenbrücken bleibt stabil. Sowohl in der Brigittenau als auch in der Leopoldstadt konnte die SPÖ bei den Bezirksvertretungswahlen die relative Mehrheit halten. Damit gehen Christine Dubravac-Widholm und Alexander Nikolai höchstwahrscheinlich in ihre zweite Amtszeit in der Bezirksvorstehung.
Wobei es am 27. April bis spät in die Nacht noch so aussah, als könnten die Grünen in der Leopoldstadt die Roten überholen. Gegen 22 Uhr konnte sich der grüne Spitzenkandidat Bernhard Seitz aufgrund der Hochrechnung im ORF konkrete Hoffnungen auf einen Wahlsieg machen. Freilich: Die Hochrechnung stellte sich als falsch heraus und letztendlich blieben die Grünen doch recht deutlich hinter der SPÖ.
Auf so einen Nervenkrieg hat man in der Brigittenau verzichtet. Dort verliert die SPÖ zwar, kommt aber immer noch auf deutlich über 40 Prozent.
Die kommenden fünf Jahre werden in beiden Bezirken für die Lokalpolitik nicht einfach. Die Herausforderungen sind enorm, durch die Klimakrise, im Schulwesen und bei der Sicherheit. Im Wahlkampf wurden viele Pläne zur Bewältigung der Probleme präsentiert. Hat die neue Regierungskoalition (die vermutlich so aussieht wie die bisherige) auch den Willen, sie umzusetzen? Und selbst mit gutem Willen: gibt es in Zeiten von rigorosen Sparpaketen auch das Geld dafür?
Das sind die größten Herausforderungen für den zweiten und zwanzigsten Bezirk:
Einkaufsstraßen ohne Schatten
In der Leopoldstadt waren sich Rot und Grün im Wahlkampf einig, dass die Umgestaltung der Taborstraße besonders wichtig ist. Die heute ziemlich heruntergekommene Straße mit viel Verkehr, vielen Parkplätzen und leeren Geschäftslokalen soll als Einkaufsstraße attraktiver werden. Mit mehr Platz zum Flanieren, mit schattenspendenden Bäumen und Aufenthaltsräumen. Freilich: Das Geld für den Umbau muss aus dem Budget der Stadt kommen. Der nächste Bezirksvorsteher wird das Projekt also gut verkaufen müssen. Da die Stadt aber in den nächsten Jahren sparen muss, dürfte das nicht ganz einfach werden.

Vor einem ähnlichen Problem steht die Bezirksvorstehung Brigittenau. Der Umbau der Wallensteinstraße ist überfällig und wird seit Jahren immer wieder angekündigt. Nach den Wahlen könnte die im Bezirk mit satter Mehrheit regierende SPÖ nun endlich an die Umsetzung gehen und muss nicht um die Stimmen erzürnter Autofahrer fürchten, denen Parkplätze weggenommen werden. Auch abseits der Wallensteinstraße könnte der dicht verbaute Bezirk Entsiegelung und Begrünung durchaus vertragen. Sollte es dazu Pläne geben, werden sie jedenfalls gut geheim gehalten.
Kein Platz für den Sperrmüll
„Bring den Sperrmüll zum Mistplatz“ fordert ein großes Plakat der Magistratsabteilung 48 die Menschen im Karmeliterviertel auf. Weil: „Wegzaubern könn ma’s net“. Es ist einer der vielen lustigen Sprüche der MA 48 und er ist in diesem Fall besonders unpassend. Denn: Es gibt keinen Mistplatz. Weder in der Leopoldstadt noch in der Brigittenau. An der Dresdner Straße gab es zwar einen, aber der wurde vor fünf Jahren zugesperrt und nie wieder geöffnet (Zwischenbrücken berichtete).

Die MA 48 möchte einen neuen Mistplatz in der sogenannten „Freien Mitte“ an der Innstraße. In der Bezirksvertretung der Leopoldstadt wehren sich alle Parteien dagegen. Sie wollen die Wiedereröffnung des alten Mistplatzes.
Jugendbanden in den Parks
In den vergangenen Wochen gab es im Prater mehrere Überfälle Jugendlicher auf andere Jugendliche oder Erwachsene. Im Nordbahnviertel berichten Anrainer über Auseinandersetzungen von Jugendbanden im Bednar-Park. Die SPÖ Leopoldstadt forderte im Wahlkampf eine eigene Polizeistation für das Nordbahnviertel. Allerdings wurde erst vor kurzem die Polizeiinspektion am Praterstern neu gebaut. Dass ein roter Stadtbezirk im schwarzen Innenministerium seine Wünsche durchsetzen kann, scheint aber unrealistisch.
Stadt und der Bezirk könnten jedoch die mobile Jugendarbeit auszubauen und Jugendarbeiterinnen und -arbeiter viel mehr am Abend an den Hotspots einsetzen. Im Interview vor den Wahlen mit Zwischenbrücken und dem Podcast Nord.Post versprach Bezirksvorsteher Nikolai außerdem, sich besonders für die Einrichtung eines Mädchenzentrums einzusetzen. Denn besonders Mädchen aus Großfamilien mit migrantischem Hintergrund bräuchten sichere Räume zum Lernen und zum Entspannen.
Neue Bimlinien, aber viele Verspätungen
Vor ein paar Jahren wäre es noch undenkbar gewesen. Aber nun bekommen die Brigittenau und die Leopoldstadt tatsächlich eine neue Straßenbahnlinie. Ab Herbst wird der 12er beide Bezirke mit Alsergrund und Josefstadt verbinden. Und im kommenden Jahr wird der 18er quer durch den grünen Prater bis zum Stadioncenter verlängert.

Bei den bestehenden Linien gibt es allerdings einige gravierende Schwachstellen. Der 2er ist eine der längsten Straßenbahnlinie der Stadt und stößt auf seinem Weg von Dornbach bis zur Floridsdorfer Brücke immer wieder auf Hindernisse: Falsch geparkte Autos, lange Wartezeiten an Kreuzungen, Staus. Die Folgen: Häufige Ausfälle und Verspätungen. Die Wiener Linien wollen nun den Fahrplan stabilisieren. Aber nicht etwa durch Beschleunigungsmaßnahmen, sondern durch eine zusätzliche Stehzeit der Züge in der Haltestelle Schwarzenbergplatz. Ob damit den Fahrgästen im 2. und 20. Bezirk wirklich geholfen wird?
Eine weitere Problemlinie ist der 5 B. In der Hauptverkehrszeit sind die Busse viel zu voll und die Intervalle zu lange. Zudem gibt es auch hier oft Verspätungen. Eine neue Straßenbahnlinie 29 ist geplant. Bis sie Entlastung bringt, werden aber noch Jahre vergehen. Eine große Herausforderung für die Menschen in beiden Bezirken wird 2027 die Sperre der S-Bahn-Stammstrecke. Welche Bim- oder Buslinien den Fahrgäste als Alternative angeboten werden, wurde bisher weder von ÖBB noch der Stadt Wien kommuniziert.
Neue Wohnungen, aber kein Platz für Kultur
Die Bevölkerung in beiden Bezirken ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Und das wird wohl so bleiben. Das Nordbahnviertel ist fast fertig gebaut, es fehlt nur noch ein Streifen mit einem Hochhaus entlang der Nordbahnstraße. Im benachbarten Nordwestbahnviertel werden gerade die historischen Güterhallen abgebrochen. In den kommenden Jahren werden zuerst ein Schulcampus und daneben Gemeinde- und Genossenschaftsbauten errichtet. Wie sehr beim Bau des neuen Stadtteils aus den bei früheren Projekten gemachten Fehlern gelernt wurde, bleibt offen. Im Nordbahnviertel stehen immer noch viele Flächen in der Erdgeschoßzone leer, weil sich Geschäftsleute und Gastronomen die Mieten und die Kosten für den Ausbau nicht leisten können. Außerdem fehlt es an kulturellen Einrichtungen.

Auch im Nordwestbahnviertel wird sich die Stadt nicht im kulturellen Bereich engagieren. Das überlässt sie den privaten Bauträgern. Bei einer Diskussion im Nordbahnsaal, aufgezeichnet vom Podcast Nord.Post, wurde Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler gefragt, ob die Stadt nicht die verbleibenden Hallen auf den Nordwestbahngelände erwerben und nutzen wolle? Kaup-Hasler zeigte jedoch wenig Interesse und erzählte lieber von einem neuen Kindermuseum in Floridsdorf.
Hotspot der illegalen Kurzeitvermietung
In den nächsten fünf Jahren wird auch das Thema Kurzzeitmieten Zwischenbrücken wohl beschäftigen. Die kleinen rechteckigen Schlüsselboxen an den Hauseingängen sind ein Indiz dafür, wie viele Wohnungen bei Anbietern wie Airbnb kurzzeitig vermietet werden – teilweise auch illegal. Denn die kurzfristige Vermietung von Wohnungen ist in Wien verboten, wenn die gesamte Mietdauer von 90 Tagen im Jahr überschritten wird. Außerdem ist für eine Vermietung über diesen Zeitraum neben der Zustimmung aller Wohnungseigentümer auch eine Ausnahmebewilligung nötig, die nur unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird. 2024 sind bei der dafür zuständigen Baupolizei insgesamt 709 Beschwerden wegen illegaler Kurzzeitvermietung bei der eingelangt – die meisten davon betreffen die Leopoldstadt – noch vor der Inneren Stadt.
Ein Antrag zur Einführung von Wohnzonen, um solche Vermietungen einzuschränken, wurde Ende vergangenen Jahres von “Links” bei der Bezirksvertretung Brigittenau eingereicht. Der Antrag wurde der Bezirksentwicklungskommission zugewiesen. Dass sich Links und KPÖ bei diesen Wahlen neben Verkehr ganz auf das Problem der Wohnungsnot fokussierten, dürfte sich ausgezahlt haben. In der Bezirksvertretung der Brigittenau kann sich das Wahlbündnis von bisher zwei auf vier Mandate steigern.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.
Naz Küçüktekin hat journalistische Erfahrungen unter anderem bei Kurier, Profil und Biber gesammelt. Sie lebt in der Brigittenau hat mehrere Preise gewonnen, unter anderem den Wiener Journalismus-Gesundheitspreis.