Neuer Ärger im Augarten
Gefällte Bäume, viele Baustellen, kaum Informationen. In Wiens beliebtem Barockgarten steigt der Missmut vieler Besucher. Nun erklärt der Vertreter der Bundesgärten, was da los ist.
Text und Fotos: Bernhard Odehnal

Die freilaufenden Hunde sind sein größtes Problem. Regelmäßig bekommt Gerd Koch Beschwerden von Parkbesuchern, wenn Hundehalter ihre Lieblinge ohne Leine auf den Wiesen laufen lassen. Er hat selbst einen Hund, versteht jedoch den Ärger: „Hier sollen die Kinder doch ohne Angst spielen können.“
Koch arbeitet seit fast 30 Jahren bei den Österreichischen Bundesgärten und leitet ebenso lange den Wiener Augarten. An diesem Morgen führt er das Team von „Zwischenbrücken“ durch den Park, erläutert die Baustellen und nimmt zu Problemen Stellung.
Und Probleme gibt es viele in der 54 Hektar großen Grünfläche zwischen der Leopoldstadt und der Brigittenau. Dabei gäbe es heuer eigentlich einen Grund zum Feiern: Vor 250 Jahren, genauer am 1. Mai 1775, gab Joseph II. das kaiserliche Jagdgebiet für die Öffentlichkeit frei. Über dem imposanten Eingangstor ließ der Kaiser die Inschrift anbringen: „Allen Menschen gewidmeter Erlustigungs-Ort, von Ihrem Schaetzer“.
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Mittlerweile wird der Erlustigungsort ziemlich arg belastet. Vor allem an sonnigen Wochenenden. Da bleibt auf den Wiesen zwischen Jungfamilien auf Picknickdecken und Spikeball spielenden Hipstern kein Platz frei. Zwischen den Bäumen sind Hängematten oder Slacklines gespannt. In den Alleen spielen Straßenmusiker.
Verschärft wurde der Nutzungsdruck durch die Sperre der zwei wichtigsten Spielwiesen vor dem großen Flakturm – den sogenannten Schüsselwiesen. Die Wiesen seien durch frühere Veranstaltung wie dem Sommerkino so zerstört worden, „dass wir sie komplett sanieren mussten“, erklärt Koch. Weil der gesamte Parkt seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz steht, seien die Bundesgärten verpflichtet gewesen, den barocken Ursprungszustand der Wiesen wieder herzustellen. „Alles, was wir machen, ist im Rahmen des Denkmalschutzes“, sagt Koch.

Die lange Sperre der beliebten Liege- und Spielwiesen erzeugte großen Ärger bei Besucherinnen und Besuchern. Eine Wiese ist mittlerweile wieder offen, bei der zweiten „hatten wir technische Probleme“ sagt Koch: „Wir werden sie aber bald öffnen können.“
Ärger über Baumfällungen
Für eine weitere Irritation sorgten die vielen Baumfällungen der vergangenen Monate. Ein zum Schutz von Wildtieren eingezäuntes Gebiet wurde fast kahl geschlagen. Mächtige Pappeln und Eschen fielen der Motorsäge zum Opfer. In den Alleen klaffen Löcher, wo einst Hainbuchen oder Ahorne wuchsen. Die Erregung in den sozialen Medien ist groß. „Die Gärtner haben kurzen Prozess gemacht und alles zerstört“ heißt es auf Facebook zum Foto eines Häckslers im Augarten.
Für sie sei der Augarten immer ihr „happy place“ gewesen, sagt eine Hundebesitzerin, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen will: Wo sonst habe man mitten in der Großstadt Vogelstimmen hören und Eichkätzchen beobachten können? Doch seit einiger Zeit fühle sie sich hier nicht mehr wohl, sagt die Frau: Schon beim Eingang höre sie die Kettensäge, „und überall fahren Lastwagen und Bagger“. Beschwerden seien sinnlos, denn „die Gärtnerinnen und Gärtner sind sehr unfreundlich.“

Mutwillige Zerstörung eines Naturraums mitten in der Stadt? „Wir fällen nur, wenn wir wirklich müssen“, entgegnet der Vertreter der Bundesgärten. Die langen Hitzeperioden und ein gesunkener Grundwasserspiegel setzten den Bäumen sehr zu, mache sie anfällig für Krankheiten. Diese seien von außen oft gar nicht sichtbar. So könne ein scheinbar gesunder Baum plötzlich umfallen. „Da geht es um die Sicherheit der Parkbesucher“, sagt Gerd Koch. Alle Fällungen seien von den Wiener Stadtgärten genehmigt worden.
Erweitertes Wohnzimmer
Koch wundert sich, wie viele Emotionen die zersägten Bäume im Augarten hervorrufen. Auch im Garten des Belvedere seien etliche Bäume gefällt worden, „aber wir bekamen keine einzige Beschwerde“. Der Augarten sei halt für viele Menschen ihr erweitertes Wohnzimmer, findet Koch dafür eine Erklärung: Deshalb reagierten sie besonders sensibel.
Wobei sich gerade die Hundebesitzer auch nicht immer korrekt verhalten. Obwohl außerhalb der Hundezonen im Augarten Leinenpflicht herrscht, tollen die Tiere leinenlos auf den Wiesen. Manchmal kann das zu Konflikten mit Joggerinnen und Jogger führen. Oder mit spielenden Kindern und ihren Eltern. Auch das Radfahr-Verbot im gesamten Parkareal wird kaum beachtet.

Unbegründet sind die Beschwerden über die vielen Baustellen aber nicht. Davon kann man sich jeden Morgen beim Parkbesuch überzeugen: Da brausen Lieferwagen und schwere LKW durch die Alleen, hinterlassen mächtige Staubwolken. Überall sind Orientierungsschilder angebracht: „Zur Baustelle“ oder „Zufahrt Strabag“. Durch die Alleen tuckern die Bagger und Traktoren der Gärtnerei. Der Augarten kann in diesen Stunden ein ziemlich ungemütlicher Ort sein.
Drei Ministerien für einen Park
Was die Sache noch komplizierter macht, sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten. .
Für den Augarten fällt in die Kompetenz von drei Ministerien. Die Bundesgärten gehören zum Landwirtschaftsministerium, dieses kümmert sich um alles, was mit Natur zusammenhängt: Wiesen, Bäume, Wege. Für die Gebäude und Mauern ist die Burghauptmannschaft zuständig, die zum Wirtschaftsministerium gehört. Und dann gibt es noch vier Sportplätze im Park, die werden vom Unterrichtsministerium verwaltet.
Die verschiedenen Stellen koordinieren ihre Pläne für den Park offenbar kaum. Während die Bundesgärten noch die Schüsselwiese sanieren und den Baumschnitt gerade abschließen, baut die Burghauptmann nun die WC-Anlagen neu und wird demnächst mit der Sanierung des Ateliers Augarten beginnen. Gleichzeitig modernisiert das Unterrichtsministerium die vier Sportplätze. Und dann baut auch noch die Augarten-Porzellanfabrik ihre Produktionsstätte aus. Überall werden Bauzäune aufgestellt, fahren Bagger und Lastwagen quer durch den Park.

Auf Ärger und Irritationen von Besucherinnen und Besuchern des Augarten haben die Bundesgärten bisher kaum reagiert. Informationen über die Sanierung der Schüsselwiesen gab es nur wenige, über die Rodungen keine. Der Umgang der Parkverwaltung mit den Besuchern erinnere an „die Mentalität aus dem 19. Jahrhundert“, klagt ein Hundebesitzer, der seinen Namen ebenfalls nicht nennen will.
Die Information werde verbessert, verspricht Gerd Koch: Die Kommunikationsabteilung sei deshalb eben erst aufgestockt worden. Eine Parkaufsicht wäre auch notwendig, sei zurzeit aber finanziell nicht realisierbar. Obwohl der Benutzungsdruck ständig steigt. Koch sagt, er könne nicht mehr tun, als an alle Benutzer zu appellieren, sich an die Regeln zu halten: „Es ist ein historischer Park mitten in der Stadt. Wir wollen seinen einmaligen Charakter erhalten.“
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.