Nettes Brot
Menschen im Zweiten. Paul Thomann (32) und Marie Weindlmayr (30) versorgen ihre Umgebung mit „ehrlichem Sauerteigbrot“ und ortsuntypischer Freundlichkeit. Das eine hat seinen Preis, das andere wiegt ihn auf.

Das Brotbacken betreibt Paul schon lange mit großer Leidenschaft. Sein Sauerteig, aus dem jedes unserer Brote entsteht, ist in der Urform mittlerweile elf Jahre alt. Durch entsprechendes Füttern hat er verschiedene Ableger gezogen, Roggen, Weizen, Dinkel und einen ganz milden Lievito Madre für das süße Gebäck. Manche Menschen entwickeln im Lauf der Zeit ein fast intimes Verhältnis zu ihrem Sauerteig, weil der ja auch ein sehr komplexes Lebewesen ist.
Paul ist diesbezüglich pragmatisch: wichtig ist, dass wir aus besten, regionalen Bio-Mehlen ein ehrliches Sauerteigbrot machen. Was den Laden und unser gemeinsames Tun hier betrifft, haben wir umso intensivere Gefühle: das Geschäft geht super, zwischen uns zwei läuft es super, wie Brot und Butter, wir sind happy. Zum perfekten Glück fehlt nur noch die neue Wohnung, jedenfalls wieder im Zweiten, am liebsten aber im Stuwerviertel.
NICHTS MEHR VERPASSEN

Wir sind beide 2013 für ein Tourismus-Studium nach Wien gekommen, ich vom Traunsee stammend, Paul aus der Südsteiermark. Kennengelernt haben wir uns an der FH. Ich habe mich auf Marketing spezialisiert und muss gestehen, dass ich die Vorteile des Angestellten-Daseins auch heute noch sehr zu schätzen wüsste. Paul dagegen wollte immer selbstständig werden, am liebsten etwas Handwerkliches machen. Vielleicht liegt das bei ihm in den Genen: sein Papa betreibt eine Gin-Brennerei, seine Mama ist Restauratorin.
Jedenfalls hat er konsequent an seinem Traum gearbeitet, 2023 die Meisterprüfung absolviert und dann das Geschäft gegründet. Ich war von Anfang an mit Herzblut und Kreativität dabei, hab aber meinen Marketing-Job noch weitergemacht. Seit einem Jahr bin ich jetzt aber auch voll im Betrieb.
140 Spenden aus dem Grätzel
Was man hier auf 80 Quadratmetern sieht, ist unser gemeinsames Werk: ein schlanker Laden, eine übersichtliche Backstube. Wir haben kaum neues Inventar angeschafft, vieles stammt aus der Verwandtschaft oder vom Flohmarkt. Die Bäckertafel haben wir einem Betrieb in Gmunden abgekauft, der Ofen stand vorher in einer Konditorei auf der Wiedner Hauptstraße.
Finanzieren konnten wir ihn über ein Crowdfunding: 140 Leute im Grätzl haben gespendet, damit wir backen können. Viele sind heute Stammkunden. Die kommen in erster Linie natürlich wegen der Brote. Sie wissen, wieviel Arbeit da drin steckt. Und sie wissen, dass wir mit ausgezeichneten, regionalen Zutaten arbeiten. Alle Rohstoffe sind Bioqualität. Käse und Marmeladen kommen von uns bekannten Produzenten, das Mehl aus der Dyk-Mühle in Raabs an der Thaya. Aber ohne die sehr persönliche, familiäre Atmosphäre kämen vielleicht manche Leute nicht so oft.
Frisches Brot am Nachmittag
Ungewöhnlich sind auch unsere Öffnungszeiten: wir sperren Montag bis Freitag erst zu Mittag auf. So kann der Teig über Nacht fermentieren und wir können gut schlafen. Um sieben kommen wir ins Geschäft, dann werden die ersten 40 Laibe gebacken. Im Lauf des Nachmittags kommt ein zweite Partie in den Ofen. So können die Leute, die in der Gegend arbeiten oder wohnen, am Abend mit einem frischen Brot nachhause gehen. Manche trinken vorher noch ein, zwei Achtl Wein bei uns. Und die meisten freuen sich, dass ich mir gemerkt habe, welches ihr Lieblingsbrot ist.
Ja, und was den Preis unserer Brot betrifft: der ist so hoch wie nötig. Siehe oben: viel Arbeit, beste Zutaten.
Aufgezeichnet von Ernst Schmiederer (www.ernstschmiederer.com)
Das Tho
Ferdinandstraße 2, 1020 Wien
Öffnungszeiten: Mi – Fr von 12-19 Uhr & Sa 9-13 Uhr
www.das-tho.at
Ernst Schmiederer ist Journalist, Verleger, Buchautor und Archivar. Er arbeitete für profil, die Zeit, das Schweizer Magazin „Facts“ und andere Medien. Er lebt in der Leopoldstadt und unterrichtet unter anderem an der Sigmund-Freud-Privatuniversität.