Viel los, wenig Plan
Dorf und Weltstadt in einem: Die Performerin, Musikerin und Schauspielerin Barča Baxant (47) genießt, was die Brigittenau zu bieten hat.
Text: Ernst Schmiederer, Foto: Christopher Mavrič

Die längste Zeit hab ich nur für mich geschrieben, englische Texte zu meinen eigenen Melodien, Popmusik. Mit 20 bin ich nach London gezogen, um Superstar zu werden. Da ist mir aber mein Heimweh dazwischen gekommen. Wenn man von woanders kommt, dann ist Heimat dort, wo die Eltern, wo die Geschwister sind. Und meine waren eben in Wien. Nachdem meine Eltern die Charta 77 unterschrieben hatten, mussten sie 1984 mit uns Kindern aus der Tschechoslowakei emigrieren. Wir sind damals direkt nach Wien gekommen, in den 20., in die Leystraße.
Später haben wir eine Gemeindewohnung in Simmering bekommen. Der liebe Kreisky hat dafür gesorgt, dass alle, die diese Petition gegen die Menschenrechtsverletzungen unterschrieben hatten und flüchten mussten, den österreichischen Pass bekommen. So etwas kann man sich heute kaum noch vorstellen.
NICHTS MEHR VERPASSEN

Ich habe vier Brüder und eine Schwester. Wir haben mit unserem Vater viel gesungen. Und es gab eine Gitarre. Also haben wir alle Gitarre gespielt. Als ich Madonna und Michael Jackson entdeckt habe, war klar: das will ich auch, ich will Popsängerin werden. Ich habe Alben aufgenommen, mit „Princess Him“, mit „Silicone Pumpgun“, mit Christian Eigner, dem österreichischen Drummer von „Depeche Mode“. Mit „The Bandaloop“ war ich in der österreichischen Vorausscheidung zum Eurovisions Song Contest. Und schließlich habe ich mit einem One-Woman-Stück als Schauspielerin begonnen.
Ernsthaft studiert habe ich ab 2015 im diverCITYLAB von Asli Kişal. Kostenloser Schauspielunterricht für Menschen mit ganz diversen Hintergründen. Ich war da die Älteste. In einer herkömmlichen Schauspielschule hätte ich keine Chance mehr gehabt. Es war jedenfalls großartig. Nach vier Jahren hab ich das mit der Bühnenreifeprüfung abgeschlossen. Dann kam die Pandemie über uns und mein Sohn Zito auf die Welt. Jetzt wird er fünf Jahre alt.
Ins Bad und in die Bibliothek
Wir leben beim Gaußplatz und genießen den 20. Bezirk. Das ist unser Dorf. Wir gehen in den Augarten, ins Brigittenauer Bad, in die Bibliothek in der Pappenheimgasse. Beim Prindl ist das Brot wieder besser als es schon mal war. Auf der Wallensteinstraße gibt’s ein Supereisgeschäft. Nicht so gut wie der Tichy, aber auch sehr gut. Mit Blick auf all die Menschen, die hier leben, entwickle ich manchmal sogar leichte Großstadtgefühle. Sehr cool das alles jedenfalls.
Im Moment bin ich mit Proben am Kosmos-Theater beschäftigt. „Die Milchfrau“ wird dort jetzt zum dritten Mal ins Programm genommen. Das Stück basiert auf dem autobiografischen Roman von Alja Rachmanowa. Eine Greißlerein im Ottakring der 1930er Jahre versucht, eine Existenz für ihre Familie zu schaffen. Im Hungern und im Fressen zeigen die Menschen Ihre Fratzen, heißt es in einem Promo-Text zum Stück. Unser Arbeiten jetzt ist aber sehr angenehm, weil alles schon da ist. Anstrengend ist nur der Umstand, dass wir in einem Wasserbecken spielen und raufen und es dabei sehr kalt wird.
Zuhause im Gesang
Paul Plut hat die Musik zur „Milchfrau“ komponiert und spielt sie bei den Aufführungen auch live. Er hat mich vor einiger Zeit gefragt, ob ich in seiner Band „Viech“ als Sängerin mitmachen möchte. Da spiele ich jetzt zum ersten Mal auch wieder Gitarre. Eigentlich war ich als Gitarristin nie besonders gut. In der Band werde ich aber immer besser. Wir haben gerade ein neues Album aufgenommen, Vollmond, ausgehend von der Idee, dass es viele Sachen gibt, die man bei Vollmond eher nicht machen sollte. Das präsentieren wir am 18. April im rhiz wien am Gürtel.
Im Herbst werde ich in einem neuen Stück spielen, „Die verschissene Zeit“, nach dem Buch von Barbi Markovic. Darauf freue ich mich. Bis dahin sollte ich noch ein bissl intensiver darüber nachdenken, was ich eigentlich machen möchte. Die Schauspielerei ist interessant, aber der Gesang ist mein Zuhause. Ich sollte mehr mit und an der Musik arbeiten. Und vor allem sollte ich wieder eine Solo-Show machen. Wir werden sehen.
Aufgezeichnet von Ernst Schmiederer
(www.ernstschmiederer.com)
Links:
https://www.instagram.com/barca_baxant
https://viech.org
Ernst Schmiederer ist Journalist, Verleger, Buchautor und Archivar. Er arbeitete für profil, die Zeit, das Schweizer Magazin „Facts“ und andere Medien. Er lebt in der Leopoldstadt und unterrichtet unter anderem an der Sigmund-Freud-Privatuniversität.