Gelöschte Erinnerung an einen tragischen Tod
Der Gaußplatz hieß früher nach einer jungen Erzherzogin, der eine heimlich gerauchte Zigarette zum Verhängnis wurde.
Text: Bernhard Odehnal. Foto: Archiv Wien Museum, Bernhard Odehnal
Es sollte ein festlicher Abend werden. Die 18-jährige Erzherzogin Mathilde, Tochter des Habsburger Erzherzogs Albrecht, machte sich im Juni 1867 im heimatlichen Schloss Weilburg bei Baden bereit für einen Theaterbesuch und rauchte noch schnell eine Zigarette. Da hörte sie die Schritte des strengen Vaters auf dem Gang und weil dieser ihr das Rauchen strikt verboten hatte, versteckte sie den Glimmstängel schnell in ihrem wallenden Ballkleid. Was für ein Fehler!
Das Kleid aus indischem Musselin war mit Glyzerin imprägniert und fing sofort Feuer. Mathilde konnte es nicht mehr löschen. Schwer verletzt wurde sie nach Schloss Hetzendorf gebracht, wo sie kurz danach starb.
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Der tragische Tod erschütterte die Hauptstadt des Habsburger Reichs. Zur Erinnerung an Mathilde wurden in Wien eine Gasse und ein Platz zwischen Augarten und Donaukanal nach ihr benannt. Später kam noch ein stattliches Wohnhaus hinzu. Der Mathildenplatz wurde bald zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. Hier kreuzten einander eine Straßenbahnlinie und die Dampftramway, die von der Augartenbrücke über Floridsdorf nach Stammersdorf und weiter ins Weinviertel fuhr. Erst 1910 wurde auch diese Strecke elektrifiziert. Seit 1900 verläuft am Ostende des Platzes die Bezirksgrenze zwischen Leopoldstadt und Brigittenau.
Carl Friedrich statt Mathilde
Die erste Republik hatte freilich kein Interesse mehr am Gedenken an einen verunglückten Teenager aus dem Habsburger-Clan. Die Mathildengasse wurde 1919 nach einem Volksschauspieler in Perinetgasse umbenannt. Der Platz bekam den Namen des deutschen Mathematikers Carl Friedrich Gauß.
Anfang der 1990er Jahre wurde der Gaußplatz kurzfristig in ganz Wien bekannt, als über die Neugestaltung des Kreisverkehrs heftig gestritten wurde. Der markante Metallring über dem Platz bekam damals den Spottnamen “Swobodrom” – nach dem Planungsstadtrat Hannes Swoboda. Heute kann der Platz niemanden mehr aufregen.
Letzte Ruhe in der Kapuzinergruft
Namensgeber Carl Friedrich Gauß war vermutlich niemals in Wien. Eine Professur an der Wiener Universität soll er abgelehnt haben. Gauß starb 1855 im Alter von 78 Jahren in Göttingen und ist dort begraben. Über seinen Tod ist nichts Spektakuläres überliefert.
Die Überreste der unglücklichen Mathilde liegen in der Kapuzinergruft. Auf der Homepage der Gruft ist die Tragödie detailliert beschrieben. Auf dem Gaußplatz erinnert lediglich noch der Mathildenhof an sie. Der Name ist auf der Hauswand unterhalb des Dachsims zu lesen.
Bernhard Odehnal lernte Journalismus bei der Stadtzeitung „Falter“ und war danach als Korrespondent und Reporter für österreichische und Schweizer Medien tätig. 2025 kehrt er mit der Gründung von „Zwischenbrücken“ in den Lokaljournalismus zurück. Er lebt in der Leopoldstadt.